© Foto: TVB Traunsee-Almtal/brainpark.traunsee: 1000 Jahre Kloster
Hier sehen Sie die Pfarrkirche in Traunkirchen von Innen.

1000 Jahre Kloster Traunkirchen

Von der Einöde zur Kulturlandschaft

Geschichte und Bedeutung des Klosters Traunkirchen

Beinahe 800 Jahre lang, von seiner Gründung im ersten Drittel des 11. Jahrhunderts bis zur Aufhebung im Jahr 1773, war das Kloster Traunkirchen ein Zentrum des religiösen Lebens, der Kunst, Musik und Bildung (Klosterbibliothek, Klosterschule), als Mittelpunkt einer ausgedehnten Grundherr­schaft und einer Reihe abhängiger Kirchen und Pfarren aber auch ein Wirtschafts- und Verwaltungszentrum.

Die Gründung des Klosters

Die Anfänge der mittelalterlichen Besiedlung Traunkirchens liegen in Dunkeln, allein die Ortsnamen­forschung kann darüber Auskunft geben. Der 1186 in der Georgenberger Handfeste erstmals aufscheinende Name Trunchirchen deutet darauf hin, dass vor dem Kloster bereits eine Kirche und damit auch eine Pfarre bestand. Dabei handelte es sich vermutlich um eine einem adeligen Herrensitz angeschlossene Eigenkirche, die vom Grundherrn zur seelsor­gerischen Versorgung seiner familia  errichtet wurde. Die  Kirche  bildete den Mittelpunkt einer kleinen Siedlung, in der die Gefolgsleute und Abhängigen des Grundherrn lebten. Diese Adelsfamilie wird in jenen Namen fassbar, die  das Traunkirchner Totenbuch als Gründer des Klosters nennt: einen Graf Wilhelm, eine Gräfin Leobirg, zwei Leodolte, einen Otakar und eine Wilbirg. Da sich im Kloster keine historio­grafische Tradition entwickelte bzw. viele Urkunden bei den beiden Bränden von 1357 und 1632 verloren gingen, wissen wir über die Stifterfamilie sehr wenig. Sicher ist, dass sie in engen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Traungauer Otakaren, den späteren Herzögen der Steiermark, stand: in der Georgenberger Handfeste von 1186 steht Traunkirchen an erster Stelle der herzoglichen Klöster. Die Gründung des Klosters erfolgte im ersten Drittel des 11. Jahrhunderts vom Stift St. Erentrudis in Salzburg-Nonnberg aus - einige Indizien sprechen für die Jahre um 1020. Die Traunkirchner Nonnen lebten nach der Benediktinerregel, noch Jahrhunderte lang hielten sie aber an den vom Mutterkloster gewohnten Lebensformen der Kanonissen (Linnenkleidung, Privatvermögen, Einzelpfründe) fest.

 

Der Ort der Klostergründung war mit Bedacht gewählt, die Lage auf einer felsigen, in den See vorsprin­genden Landzunge bot Schutz gegen Hochwasser und Sicherheit in unruhigen Zeiten, ermöglichte aber auch die Kontrolle der Verkehrswege. Bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts spielte der Ort eine Schlüsselrolle auf dem Weg vom Donauraum in das Innere Salzkammergut. Hauptverkehrsader war die Traun; für den Landweg, der von Norden bis Traunkirchen führte, stellte die Felsenbarriere von Geißwand, Kleinem und Großem Sonnsteins ein unüberwindliches Hindernis dar. Da zwischen Traunkirchen und Ebensee nicht einmal Platz für einen Fußweg war, blieben nur zwei Möglichkeiten: die „Urfahr“, die Überfuhr mit Booten über den See, und die weiter landeinwärts verlaufenden, steil nach oben führenden Steige. Streufunde aus der Bronzezeit weisen darauf hin, dass diese Steige schon in prähistorischer Zeit benutzt wurden. Erst der durch Güterverkehr und Tourismus bedingte Ausbau der Salzkammergutstraße - 1859/61 wurde das Teilstück zwischen Traunkirchen und Ebensee fertiggestellt - und die Eröffnung der Kronprinz-Rudolf-Bahn zwischen Attnang-Puchheim und Stainach-Irdning 1877 schufen eine durchgehende Verkehrsverbindung vom Alpenvorland in das Innere Salzkammergut.

Das Fehlen gesicherten Wissens über die Gründung des Traunkirchner Klosters der Benediktinerinnen führte schon im Mittelalter zur Legendenbildung, die das historische Geschehen überwucherte und sich auch im Gründungs­­­bild von 1532 niederschlug. Dieses Gemälde wurde von einer der letzten Äbtissinnen, Barbara Kirchberger, anlässlich des damals gefeierten Neunhundertjahrjubiläums des Klosters in Auftrag gegeben. Nach der Gründungssage, die in dem Gemälde erzählt wird, hätten die Traungauer Grafen Ottokar und Leotold die Abtei zur Erinnerung an einen glänzenden Sieg der Christen gegen heidnische Angreifer gegründet; als Gründungsjahr wird 632 angegeben. Diese Darstellung hält nicht der wissenschaftlichen Kritik stand; dennoch ist das Gemälde als historische Quelle wertvoll, weil das von den „Markgrafen“ der Gottesmutter überreichte romanische Kirchen­modell und die Ansicht des Klosters mit Johannesbergkirche und Nikolauskapelle im Hinter­grund, die wohl den Zustand von 1532 wiedergeben, eine Vorstellung vom Aussehen der ursprünglichen Kirche und des spätmittel­alterlichen Klosters vermitteln.

Das Nonnenkloster als "Hospital des Adels"

Das Nonnenstift gehörte zu jenen mittelalterlichen Frauenklöstern, die man treffend als "Hospitäler des Adels" bezeichnet hat. Ledig gebliebene Töchter der angesehensten Fami­lien des Landes fanden hier die Möglichkeit eines sinnerfüllten (religiösen) Lebens, aber auch eine dem adeligen Lebensstandard entsprechende Versorgung;  Ur­kun­­­­den des 14. Jahrhunderts zeigen, dass ein großer Teil der Klostereinkünfte an die Nonnen verteilt wurde. Die Leitung des Klosters hatten hochadelige Äbtissinnen inne, als Vertreterinnen des Konvents standen ihnen Dechantinnen zur Seite. Nach dem Seckauer Ver­brüderungsbuch - Traunkirchen war mit anderen Klöstern durch Konföderationen verbunden - lebten um 1180 neben der Äbtissin 22 Nonnen im Kloster, seit dem 13. Jahrhundert scheint wiederholt die Zwölfzahl auf; noch 1495 gaben bei der Äbtissinnenwahl zwölf Nonnen ihre Stimme ab. Der Äbtissin stand das - freilich wiederholt umstrittene - Recht zu, den Pfarrer zu ernennen; die Pfarre umfasste neben der Klostersiedlung auch das erst spät besiedelte Land um Ebensee. Höhepunkte des kirchlichen Lebens waren vor allem die Weihefeste und Patrozinien (Feste der Kirchenpatrone) der drei Kirchen des Ortes, die von einer großen Zahl von Gläubigen besucht wurden, am Stiftertag der Klosterkirche sollen es nach Aussage der Quellen Tausende gewesen sein.

 

Das Kloster als "Teil der Welt"

Klöster waren im Mittelalter nicht nur Zentren des religiösen Lebens, zu deren wichtigsten Aufgaben Seelsorge, Bildungswesen und Sozialfürsorge zählten, sondern auch Machtinstrumente ihrer Gründer und damit "Bestandteil der Welt", vor allem der herrschaftlichen Welt. Der Grundbesitz des Klosters, verbunden mit der Herrschaft über hörige Bauern, die zu Diensten und Abgaben verpflichtet waren, diente dem Nutzen des Klosterherrn und seiner Familie, die darüber verfügen konnten,  war aber auch Voraussetzung für den Unterhalt der Mönche bzw. Nonnen und die Erfüllung der verschiedensten klösterlichen Aufgaben. Ursprünglich mit vergleichsweise geringem Eigenbesitz von etwa 15 Höfen im nächsten Umland ausgestattet, erwarben die Benediktinerinnen  im Laufe der Zeit durch die Mitgift der Nonnen,  durch Schenkungen und die Übertragung von Lehen einen reichen, freilich recht weit verstreuten Grundbesitz mit Höfen, die von hörigen Bauern bewirtschaftet wurden. Schwerpunkte der auswärtigen Besitzungen lagen entlang der Traun von Gmunden bis Pennesdorf und Desselbrunn bzw. in Gschwandt, Laakirchen, Roitham und Kirchham/Vorchdorf. Auch im oberen Trauntal von Ebensee bis Obertraun besaß das Kloster Hofstellen; andere bedeutende Güterkomplexe des Klosters lagen am Attersee (Nussdorf), im Agertal (um Regau und Schwanenstadt), am Hausruck (bei Ried), um Fallsbach (bei Wels), in Sierning (bei Steyr), im Ennstal und dem obersteirischen Ort Trofaiach; bis 1522 besaßen die Nonnen auch Weinberge in Wien-Döbling. Dazu kamen Rechte an Wäldern, Fischerei- und spezielle Bergrechte, z. B. Nutzungs­rechte an der Salzpfanne im Ischlland, Anteile am Hallstätter Salzbergbau sowie am Silberabbau am Bromberg.

Die  Verwaltung des zu verschiedenen lokalen Ämtern zusammengefassten Eigenbesitzes und der Lehen lag im 13. Jahrhundert in den Händen eines "offizialis", eines Amtmannes, der später auch Schaffer und Hofrichter genannt wurde. Seit dem Kloster 1280 von König Rudolf die Niedergerichtsbarkeit über seine Untertanen eingeräumt worden war, übte er auch richterliche Aufgaben aus. Direkt von Traunkirchen aus wurden die Lehen verwaltet, jene Hofstellen, die sich nicht im Eigenbesitz des Klosters befanden, sondern ihm nur nach dem Lehnsrecht zur Nutzung übertragen waren; dem Oblaiamt unterstanden die sich im Besitz des Klosters befindlichen Ländereien und Vermögenswerte.

Schon Ende des 12. Jahrhunderts verfügten die Nonnen über eine Reihe von Ministerialen, unfreien, aber ritterlich lebenden Dienst­mannen, die verschiedene Verwaltungs- und Kriegsdienste zu leisten hatten. Einige von ihnen - wie die Peiskammer, Thalheimer, Ruhsamer und Hildprechtinger - saßen im Raum von Ohlsdorf, andere - wie die Mühlwanger - bei Gmunden, wieder andere in Gschwandt, Kirchham und Roitham.

In der Zeit der Reformation setzte der Niedergang des Klosters ein: Das Ordensleben verlor seine alte Wertschätzung, was zu einem deutlichen Rückgang des Konvents führte: Die Zahl der Nonnen sank von zehn im Jahr 1534 auf sieben (1543), fünf (1551) und schließlich 1565 auf zwei. Die landes­fürstlichen Visitationen von 1561 und 1566 zeigten, dass die klösterliche Gemeinschaft - und auch der Pfarrer  - in wesentlichen Punkten protestan­­tisch dachten. In der Klosterschule wurde Luthers Katechismus unterrichtet, Pfarrer und Kaplan waren "beweibt", die Nonnen empfingen die Kommu­nion unter beiden Gestalten, die letzten Äbtissinnen scheinen am Kloster­leben kaum noch Interesse gehabt zu haben.

Als 1571 die letzte Nonne das Kloster verließ und heiratete, wurde die Äbtissin abgesetzt und das Kloster für vakant erklärt. Erst 1622 kamen Gebäude und Klosterbesitz an die Passauer Jesuiten, die eine kleine Niederlassung, eine so genannte „Residenz“ einrichteten. Nach dem Brand von 1632, bei dem Kirche und Klostergebäude stark beschädigt wurden, erfolgte der Wiederaufbau der gesamten Anlage in der noch heute bestehenden frühbarocken Form. Mit der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahr 1773 und der damit verbundenen Auflösung der Residenz verlor der Ort mit einem Schlag seine religiöse, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung: Die Ordensbrüder wurden in den Weltpriesterstand versetzt und dem Pfarrer von Gmunden unterstellt, Klostergebäude und Klosterbesitz eingezogen und einige Jahre später gegen eine entsprechende Vergütung dem Salzamt in Gmunden übertragen. 

Nachleben

Die Kulturlandschaft des Salzkammerguts ist das Ergebnis einer Jahrtausende langen, noch immer andauernden Auseinandersetzung des Menschen mit seiner natürlichen Umwelt - mit Landschaft, Klima, Bodenschätzen, Tier- und Pflanzenwelt. Die bedeutende, heute oft vergessene Rolle, die in diesem Prozess die Klöster spielten, zeigt eindrucksvoll ein Vergleich zweier frühmittelalterlicher Quellen aus dem Traunseegebiet. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts beschrieb der Geistliche Promo, offenbar ein Parteigänger des von Karl dem Großen abgesetzten und zu lebenslanger Klosterhaft verurteilten Bayern-Herzogs Tassilo, in einem Brief seinen Verbannungsort auf der Insel Drunula - der Name weist vermutlich auf den Traunsee - als Sumpflandschaft, Wildnis und Einöde. Nur gut 100 Jahre später wird in einer Schenkungsurkunde Königs Ludwigs IV. aus dem Jahr 909, eine königliche Abtei Trunseo genannt, deren Besitzungen " Höfe, Leibeigene beiderlei Geschlechts, Ländereien, Bebautes und Unbebautes, Äcker, Wiesen, Weiden, Felder, Wälder ... Mühlen" umfasste. Diese am Westufer des Traunsees, wahrscheinlich im heutigen Altmünster gelegene Abtei hatte mit ihren Abhängigen und Untertanen eine Kulturarbeit großen Ausmaßes geleistet. Ähnliches gilt wohl auch für di das spätere Nonnenkloster Traunkirchen.

Die Bedeutung des Kloster spiegelt sich bis heute auch im Pfarrsystem des Salzkammerguts wider. Zumindest seit dem 13./14. Jahrhundert gehörten die Kirchen in Nussdorf am Attersee, Pinsdorf, Goisern, Ischl, Lauffen, Hallstatt und Aussee als Eigenkirchen zum Kloster. Erstmals 1332 wird Traunkirchen als "Mutterpfarre" bezeichnet. "Die Kirchengeschichte des Bezirks Gmunden" - so fasst Karl Amon, der verdienstvolle Erforscher der Geschichte des Klosters dessen Bedeutung zusammen - "verlief zu einem großen Teil in dem organisatorischen und rechtlichen Rahmen, der durch das Kloster Traunkirchen und seiner Pfarren umschrieben werden kann. Die Pfarren hängen zum Teil seit ihrer Entstehung mit dem Kloster auf mannigfache Weise zusammen und werden von ihm beeinflusst bis zum Ende des klösterlichen Traunkirchen durch die Aufhebung des Jesuitenordens."

 

Viele religiöse und kulturelle Traditionen der Benediktinerinnen und Jesuiten haben sich über Jahrhunderte bis heute erhalten oder sind neu belebt worden. Die im frühbarocken Stil erbauten ehemaligen Klostergebäude beherbergen nun nicht nur die Pfarre des Ortes sondern auch eine Reihe kultureller Einrichtungen: die 2009 vom  renommierten österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger gegründete Internationale Akademie zur Förderung naturwissenschaftlich und technisch begabter junger Menschen und ein Handarbeitsmuseum, und - ab dem nächsten Jahr -  ein Archäologisches Museum. Der zeitgenössischen Kunst widmet sich die Galerie Erlas, die im nahe gelegenen ehemaligen Klosterstadl untergebracht ist, der nach einer urkundlichen Nachricht zum Jahr 1633 als Werkstatt zur Herstellung der frühbarocken Altäre für die Neugestaltung der Klosterkirche nach dem Brand von 1632 diente